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Eine Maske entsteht
(von Hedwig Reiß)

Bei der Gestaltung meiner Kostüme ist mir mein erlernter Beruf der Modistin sehr hilfreich. Gerade der Hut einer Maske steht als direkte Umrahmung des feinen Gesichtes der Maske im Vordergrund der Betrachter.

Die Idee
Manchmal kommt die Idee für die neue Maske bereits einige Tage nachdem wir wieder vom Karneval in Venedig zu Hause sind und der Kopf noch schwirrt von den vielen wunderbaren Impressionen. Wenn ich dann einen geeigneten Stoff gefunden habe, suche ich nach und nach das passende Zubehör. Blüten, Blätter, Borten, Ketten, Glitzersteine und Pailletten gehören zum Stil meiner Kostüme, genauso wie die farbliche Abstimmung der einzelnen Elemente aufeinander.

Die Entstehung
Nach und nach reift das neue Kunstwerk und nimmt an meinen Schneider- und Schaufensterpuppen Form an. Gerne greife ich auch Ideen meiner Tochter auf, bis die ganze Familie mit der neuen Kreation zufrieden ist. Mit der Ausarbeitung, also dem Zuschneiden, Nähen, Verstärken und Anbringen aller kleinen Details, die dann das Endergebnis für mich perfekt machen, lasse ich mir Zeit – Stress möchte ich dabei nicht. So habe ich ein ganzes Jahr durch mein wunderbares Hobby die Vorfreude auf unseren nächsten Karneval in Venedig.

Die venezianische Maske – ein Fotoobjekt und ihr „Innenleben“

In Venedig treffen wir verschiedene Typen von Fotografen. Die einen knipsen ganz schnell ihr Foto, egal mit welchem Hintergrund. Die Anderen legen Wert darauf, dass sie auch mit aufs Bild kommen – das sind die meisten. Die Dritten, mit mindestens drei Kameras um den Hals und eine dicke Fototasche mitschleppend, sind die Interessantesten für uns. Das sind die Profis, die sich mit uns vereinen. Sie betrachten, warten ab und dann schießen sie los.

Eine besondere Wirkung hat das Morgenlicht an der Lagune. Die Stimmung ist ganz verändert. Keine Massen sondern nur Spezialisten gehen auf Motivsuche. Vereinzelt tauchen Masken auf. Wir gehen gerne auf die Wünsche der Fotografen ein und folgen ihren kleinen Anweisungen. Das Licht in den Augen ist es, das leuchten soll und unsere Accessoires sollen in der gleißenden Morgensonne gut zur Wirkung kommen. Zuweilen kann man beobachten, dass Fotografen untereinander beraten, sich Tipps geben, dem anderen einen guten Platz einräumen oder auch ziemlich bestimmend den ihren behaupten.

Ein schwieriger Hintergrund ist natürlich der Campanile. Da muss ein Begeisterter auch mal in die Liegestellung gehen. Das ist für uns schon belustigend. Schnell werden die Linsen gewechselt, geschossene Bilder dank digitaler Fotografie kontrolliert, und wir sind bereit erneut zu posieren. Vielleicht einmal den Finger auf die Lippen? Das kommt gut an, es sieht erotisch aus. Da klickt es noch x-mal in der Runde vor unseren Füßen. Es macht einfach Spaß! –

Die grünen Kandelaber der Piazza sind besonders passend zum diesjährigen rot - grünen Rosenkostüm. Man kann sich förmlich um diese herum winden, dabei die Fotografen betören, sie damit scharenweise anlocken und dirigieren. Im Hintergrund die Spitzbögen vom Dogenpalast – da passt alles!

Das Schlimmste für uns war einmal zusehen zu müssen, wie ein älterer Herr einen Schritt auf die glitschigen Stufen an der Lagune wagte, um uns auf dem fotogenen Gondelsteg bildlich festzuhalten. Noch eine weitere Stufe nach unten und schon sahen wir ihn mit Schrecken knietief ins kalte Wasser gleiten. Der Arme – nur wegen unseres großen Pfauenaufbaus, der dort in der Sonne so schön leuchtete.

Wenn man sich an der Lagune vorne bei den Gondeln platziert hat, ist es besonders schwer weiterzukommen. Gerne gibt man jedoch den begehrten Platz auch wieder an andere Maskengruppen frei, denn wir versuchen ‚schnellstens’ eine andere Fotokulisse anzustreben. Auf dem Weg über die Piazza jedoch spiegeln wir uns in den kleinen Regenwasserlachen, was sofort von der geübten Fotografenspezies genützt wird und für interessante Bilder sorgt. Die Schnellknipser der Piazza verstehen diese Highlights im Fotografenleben nicht, sie stapfen zielstrebig durch die kleine Wasserlache, um an die 100. Fototrophäe zusammen mit einer neuen Maske heranzukommen.

Sind alle zufrieden? Dann auf nach ‚Zaccharia’. Das ist ein beliebter Treffpunkt, da geht’s zur Sache, da trifft sich alles! Der zartfarbene Hintergrund der Kirche bietet sich an und Profis sind am Werk. Manche gehen richtig ran – die leuchtende Augenpupille vervollständigt ein Klasse-Foto. Wir versuchen möglichst nicht zu blinzeln, auch wenn es zehn Mal hintereinander klickt und der Fotoapparat scheinbar nur drei Zentimeter von den Augen entfernt ist. Man arbeitet mit dem Gegenüber ja zusammen und ein erhobener Daumen signalisiert seine Zufriedenheit. Jedes Detail unserer Kostüme wird hier beachtet, bestaunt und festgehalten. Hier wird man von den Fotografen entweder kunstvoll vor einem abgeblätterten Fensterladen drapiert oder auf englisch, französisch, italienisch oder deutsch zum Bewegen und Posen animiert – man wird zum koketten Fotomodel und das Blitzlichtgewitter will kein Ende nehmen. Das sind die schönsten Momente.

Ändert sich das Licht, streben wir wieder den Rückweg an, diesmal ist unser Ziel ‚Moise’. Jetzt müssen wir wieder mit den hundert herbeieilenden Knipsern rechnen, die gerne mit uns abgelichtet werden möchten. Das ist ebenfalls lustig, denn man wird so oft umarmt und gedrückt und die vielen „bellissima“- Ausrufe lassen das Herz der Künstlerin höher schlagen. Einmal wollte uns eine Dame nach einem Foto einen kleinen Obolus in die Hand drücken. Nein, deshalb sind wir nicht in Venedig.

Ein schönes Spiel ist es, die Macht der Augen einzusetzen. Sie sind der einzig lebendige Teil einer Maske. Das bezaubernde, fast makellose Gesicht der Maske ist doch unnahbar, so dass der Blickkontakt in unsere freigegebenen Augen geheimnisvoll zu sein scheint und manchmal nicht enden will. Was das Gegenüber in diesem Moment wohl denkt?

Wenn wir zuhause nach einigen Wochen die Fotoergebnisse zu sehen bekommen, haben die Fotografen unsere vollste Bewunderung über ihre professionellen Ergebnisse. Sie zaubern aus unseren Kunstwerken Neue! Darüber, ein Teil dessen zu sein freuen wir uns und sind dankbar.

(Hedi und Nathalie Reiß)